Presseschau Allgemeine Zeitung: Rheinhessens Schachszene hat viele Nachwuchstalente

Schach als Schulsport? Ja, das gibt es auch in Rheinhessen immer öfter. In Oppenheim fand nun ein Treffen statt. Welche Vorteile bringt das Hobby Kindern und Jugendlichen?

Von Torben Schröder
 
 
OPPENHEIM – Im Wettkampfbüro steht ein Punchingball. Ein Junge haut schüchtern dagegen, der andere zieht ihn weg. Lass das mal lieber! Nein, der Begriff Wettkampf trifft an diesem Tag am Oppenheimer Gymnasium allenfalls im übertragenen Sinne zu. Rund 230 Schüler, verteilt auf 52 Mannschaften und sechs Wettbewerbe für Sechs- bis 20-Jährige, sind zu den Rheinland-Pfalz-Meisterschaften im Schulschach zusammengekommen. Aus Mainz, Ingelheim, Oppenheim und Nackenheim, aber auch aus Trier, Pirmasens, Konz, Wörth oder Bendorf. Sie alle wollen zum Deutschen Schulschach-Mannschaftswettbewerb.
Helena Dietz hat angefangen, Schach zu spielen, als sie gerade eingeschult worden war. Inzwischen ist sie Rheinland-Pfalz-Meisterin bei der U16 weiblich. „Einige aus meiner Klasse haben mit angefangen, fast alle haben wieder aufgehört“, erzählt sie. Oft wird sie von Jungs herausgefordert. „Ey, ich mach dich platt“, der Spruch kommt häufiger. Meist gewinnt Helena. Alle ein, zwei Monate übt sie einen Tag lang im Landeskader, sie sieht sich zu Hause Lehrvideos an, studiert Übungsbücher, trainiert am Computer. Mit ihrem Europa-Gymnasium Wörth ist in Oppenheim Endstation, aber noch einmal bei den Deutschen Meisterschaften spielen ist ihr festes Ziel.
„Zirka 20 Prozent der Schachspieler sind Mädchen“, sagt Marco Stegner vom Schachclub Landskrone. Dort spielen rund 50 Kinder und Jugendliche, zu einem Drittel aus Oppenheim, zu zwei Dritteln aus dem Rest der VG. Weniger als früher, den Ganztagsschülern fehlt die Zeit. Sie schaffen es auch nicht in die Schach-AG, die Stefan Seidel am Gymnasium leitet. Aktuell machen fünf Schüler mit, voriges Jahr waren es ein Dutzend. Viele fangen sehr jung an, viele springen in der Pubertät ab. „Schach gilt nicht als das coolste Hobby“, sagt Seidel.
Dabei ist es so nützlich. Schachspieler sind die besseren Schüler, heißt es. Nicht nur in Mathematik. Es geht, wie Stegner sagt, um Konzentrationsvermögen, Ruhe, räumliche Vorstellung, Akribie. „Es sind nicht die Rabauken, die zu uns kommen“, erzählt Seidel. Dabei wäre gerade das vielleicht nicht verkehrt. Gerhard Dittenberger hat zwei Söhne und eine Tochter. Recht aktive, lebhafte Kinder, wie er erzählt. Als „Vorschul-Aktion“ hat er sie zum Schachspielen geschickt. „Es hat Klick gemacht.“ Alle drei wurden Schachspieler, einer war in Oppenheim als Schiedsrichter, einer als Helfer, eine als Spielerin dabei.
Und Dittenberger, der selbst gar kein Schach spielt, ist federführender Mitorganisator – mal wieder. 40 bis 50 Helfer braucht es bei so einem Wettbewerb. Zwei elfte Klassen stocken mit der Bewirtung in der Cafeteria ihre Abschlussfahrt-Kasse auf. Am Gymnasium wurden auch schon zwei Rheinhessen-Meisterschaften ausgerichtet. Der Grund, dass der Schachbund immer wieder auf das Katharinen-Gymnasium zurückgreift: Dittenberger und sein Engagement. Er weiß eben, wie gut Schach den Kindern und Jugendlichen tun kann. Auch wenn die Regeln seit Ewigkeiten gleich sind – die Lehrmethoden haben sich, durch Video-Tutorials und intelligente Software, deutlich verbessert. Gute Schachspieler denken viele Züge voraus, erkennen Muster, haben Lösungsstrategien im Kopf. „Und die Mädchen holen auf“, sagt Stegner, „sie sind oft konzentrierter, gucken nur aufs eigene Brett.“ Schach ist pädagogisch wertvoll, so viel ist sicher. „Bei sportlichen Wettkämpfen entscheiden Kraft oder Kondition“, sagt Simon Heinßen, Spieler und Trainer beim SV Multatuli Ingelheim, „Schach ist ein Spiel der klugen Köpfe. Da kann man als Kind auch Erwachsene schlagen.“
 
 
Volle Konzentration auf das eigene Brett: Die Kinder lernen das Spiel heute auf vielfältige Weise, unter anderem mit Video-Tutorials und intelligente Software
 
 
Aus der Allgemeinen Zeitung vom 02.03.2020